Nerven der Beteiligten liegen blank

Debatte um Windrad-Gebiet bei Barterode

Von Jörn Barke
Die Nerven liegen blank: In der Debatte über ein mögliches Windrad-Gebiet bei Barterode hagelte es in der Ortsratssitzung gegenseitige Vorwürfe. Gemeindebürgermeister Holger Frase (SPD) erwähnte Weihnachtspostkarten mit Drohungen an Gemeinderatsmitglieder und sprach von persönlichen Vorwürfen gegen ihn in schriftlichen Stellungnahmen.
Die Idylle trügt: Im heimeligen historischen Spritzenhaus hat es bei der Ortsratssitzung zum Thema Windräder heftig gekracht.

Die Idylle trügt: Im heimeligen historischen Spritzenhaus hat es bei der Ortsratssitzung zum Thema Windräder heftig gekracht.

© Heller
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Barterode. Eine Windrad-Gegnerin berichtete wiederum von Morddrohungen, die sie erhalten habe; Autos seien zerkratzt, Schafe vergiftet worden.

Für Unmut sorgte allein schon die Wahl des Veranstaltungsortes: Im kleinen historischen Spritzenhaus mussten die 40 Besucher dicht gedrängt sitzen, etwa ein Dutzend Besucher musste bei geöffneter Tür und nasskaltem Wetter draußen ausharren.

Es habe sich keine anderer Raum für den Termin finden lassen, sagte Ortsbürgermeisterin Brigitte Bindseil (SPD). Sie und Frase erklärten zudem, mit einem solchen Andrang sei bei der Ortsratssitzung nicht zu rechnen gewesen.

Streit um Drucksachen-Nummern

Schon vor der Sitzung hatte es Streit um die Einladung zur Sitzung gegeben. Die Bürgerinitiative gegen die Windräder hatte nämlich eine behördliche Einladung weitergeleitet, auf der auch die Drucksachen-Nummern zu den Tagesordnungspunkten zu lesen waren.

Diese Einladung ist laut Verwaltung aufgrund einer gemeindeeigenen Regelung aber nur Rats- und Ortsratsmitgliedern vorbehalten, während die Öffentlichkeit mit Anträgen ohne Drucksachen-Nummern vorlieb nehmen müsse. Folge: Die Bürgerinitiative wurde schriftlich aufgefordert, darüber Auskunft zu erteilen, wie sie in den Besitz der inkriminierten Einladung gelangt ist.

„Sollten Sie unserer Aufforderung nicht unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 16. Juni nachkommen, werden wir rechtliche Schritte gegen Sie einleiten“, droht die Verwaltung.  Diese müsse einem solchen Vergehen nachgehen, sagte Frase. Einige Bürgerinitiativen-Vertreter äußerten allerdings, es habe eine Einladung mit Drucksachen-Nummern öffentlich ausgehangen.

Windräder ohne räumliche Eingrenzung

In der Sache selbst sagte Frase, die Bürgerinitiative habe kein Verständnis für den Gang des Verfahrens. Die Initiative versuche Zwietracht zu säen und aufzustacheln. Wenn als Folge dieses Verhaltens die Ratsmitglieder das Verfahren abbrächen, würden noch im Juni die Bagger anrollen, so Frase.

Dann könnte der Landkreis nämlich Windräder ohne räumliche Eingrenzung genehmigen. Die jetzige Planung ziele dagegen darauf ab, die Zahl der Windräder so weit wie möglich zu reduzieren, nämlich von 23 möglichen im derzeitigen Vorentwurf auf elf.

Windrad-Gegner kündigten dagegen an, bei einem Abbruch des Verfahrens schlicht gegen die Genehmigung von Windrädern klagen zu wollen. Zudem bezweifelten sie, dass es eine Vorfestlegung auf mindestens elf Windräder geben dürfe.

„Hier brennt die Luft“

Der angesichts der absehbaren heftigen Auseinandersetzung eigens angereiste SPD-Landtagsabgeordnete Ronald Schminke fungierte in der erhitzten Debatte wiederholt als Schlichter.  „Hier brennt die Luft“, meinte Schminke und mahnte einen „vernünftigen Sprachgebrauch“ an. Man lebe doch in einem Dorf und müsse sich gegenseitig wertschätzen, so Schminke.

Er versuchte es mit der Formel: Wenn eine Bürgerbefragung in Barterode eine Ablehnung des Windrad-Gebiets ergibt, dann lehnt auch der Ortsrat das Vorhaben ab und dann lehnt auch der in letzter Instanz verantwortliche Gemeinderat das Vorhaben ab. Diese Formel ist allerdings zu einfach, wie auch der Gemeindebürgermeister bestätigt.

Denn schließlich müsse nach den schwammigen gesetzlichen Vorgaben am Ende noch eine substanzielle Fläche für Windräder übrigblieben. Die mögliche Fläche bei Barterode macht aber mehr als die Hälfte der gesamten möglichen Windrad-Fläche in der Gemeinde aus. Mindestens die Hälfte der Fläche muss laut Frase aber übrigbleiben, um den gesetzlichen Vorgaben zu genügen.

Planungsstand zur Kenntnis genommen

Das bezweifeln die Windrad-Gegner zwar. Wenn dem aber so ist, bedeutet dies, dass auf jeden Fall etwas vom Barteröder Gebiet übrigbleiben muss – oder ein anderes Gebiet muss noch größer werden, etwa das bei Adelebsen, wo es bislang bei weitem nicht so einen heftigen Widerstand gibt wie in Barterode.

Der Ortsrat nahm schließlich den derzeitigen Planungsstand zur Kenntnis. Noch bis mindestens September, so Frase, müssten die rund 1000 Einwendungen gegen den Vorentwurf zu den Windrad-Flächen abgearbeitet werden. Der Ortsrat könne ohnehin nur empfehlen, sagten Frase und Bindseil. Die Entscheidung treffe der Gemeinderat.

Der Ortsrat Barterode kündigte außerdem eine Bürgerversammlung an. Darüber hinaus soll es nach Auswertung der Eingaben eine Bürgerbefragung geben – eine neutrale Bürgerbefragung, wie Bindseil betont. Denn eine Befragung hat die Anti-Windrad-Bürgerinitiative bereits gemacht. Demnach sind 91 Prozent der Barteröder gegen einen „Industriewindpark“.

Harte Bandagen  

In der Debatte um ein Windrad-Gebiet bei Barterode wird mit harten Bandagen gespielt. Die Gegner wettern mit markigen Worten wie „Größenwindwahn“ gegen das Projekt und sparen nicht mit Vorwürfen wie der „Verlockung des Pachtgeldes“. Der Ortsrat, in dem zwei Landbesitzer vertreten sind, reagiert zunehmend dünnhäutig.

Ob sich kein anderer Tagungsraum finden ließ als das winzige Spritzenhaus, sei dahingestellt. Die Aussage, mit so vielen Besuchern habe man nicht rechnen können, muss jedoch in den Ohren der Windrad-Gegner, die schon oft zahlreich aufgelaufen sind, wie Hohn klingen.

Politiker wie Windrad-Gegner berichten, sie seien Bedrohungen und Beschimpfungen ausgesetzt. Auch die Verwaltung reagiert zunehmend gereizt auf die beharrlichen Gegner. Weil einer von ihnen vor der Sitzung eine Ortsrats-Einladung mit Drucksachen-Nummern (nicht aber mit den Drucksachen selbst) verschickt, wird gleich mit juristischen Schritten gedroht.

Wenn dem Vorgehen tatsächlich eine Lex Adelebsensis zugrundeliegt, sollte man die in Zeiten der behaupteten Bürgernähe lieber schleunigst abschaffen statt Verstöße zu verfolgen. In der nicht allzu weit entfernten modernen Megacity Göttingen stehen Drucksachen samt Vorlagen-Nummern jedenfalls schon vor Ratssitzungen im Internet.

Wie auch immer: Dass sich Verwaltung, Politiker und Windrad-Gegner aus der gegenseitigen Verbeißung lösen können, scheint nach der Ortsratssitzung in Barterode nur schwer vorstellbar. Hier kann wohl nur ein Schlichter von außerhalb helfen. Ansonsten droht Barterode bei der Kommunalwahl 2016, was es 2011 schon in Erbsen gab: ein politisches Erdbeben.

J. Barke

J. Barke

 

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